Puberetäre BRUNO-Verehrung
Ketzerfürst
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Warm rinnt das Blut aus siebenunddreißig kleinen Wunden den linken Unterarm hinunter,
sammelt sich auf dem Handrücken, vereinigt sich zu einem Rinnsal am kleinen Finger und
tropft mit leisen Blubbs in die Badewanne. Ketzerfürst habe ich als Fünfzehnjähriger mit
pubertärer Euphorie mittels einer Rasierklinge mir in den Unterarm geritzt. Ketzerfürst,
ja das imponierte mir. Giordano Bruno, mein Idol! O wie liebte ich ihn, den Dominikaner aus
Nola, den klaren Geist, der Gedanken dachte, die ihn schließlich auf den Scheiterhaufen
brachten, wo er im Jahre 1600 auf dem Campo di Fiori in Rom als Ketzer verbrannt wurde.
Das wäre ein Fanal: der Ketzer Elmar Rixen, der Gedanken dachte, die die heilige katholische
Kirche streng verbot, der den Pfaffen jeden Morgen einen Zettel in den Briefkasten schmiss
mit der Sentenz GOTT IST KRANK, (soweit wie Nietzsche ging ich nicht), dieser Elmar
Rixen wird als Anhänger einer verbotenen Lehre, als Pantheist, als Häretiker auf dem
Kempener Buttermarkt am 10. November bei lebendigem Leibe verbrannt.
Der Henker tritt mit der brennenden Fackel gegen die Estrade, verneigt sich, schwingt
den Feuerbrand graziös gegen die Würdenträger der Geistlichkeit und steckt ihn dann in das
Reisig zwischen die Scheite. Die Menge schreit auf in fieberhafter Erregung: das Schreckliche
ist nun geschehen. Schauerlich heult das Miserere des Kempener Kirchenchores. Knisternd
züngelt die Flamme empor und knabbert zuerst das Reisig ab, bevor sie sich an den Scheiten festnagt.
Vom geschmolzenen Schwefel steigen dünne Rauchsäulen auf. Da klettert Pater Guido mit einem
ellengroßen Kreuz in der Hand auf die Leiter, indem er den Häretiker am Pfahl anschreit:
Schau auf das Zeichen der Erlösung!"
Da —! Hat da nicht der Ketzer den Kopf auf die andere Seite gedreht? Weiteres ist nicht zu
erkennen, denn der Qualm wird plötzlich zu dicht. Der Mönch auf der Leiter klettert überhastig
herab, ein Windstoß facht die Flammen an, und im nächsten Augenblick ist der ganze Scheiterhaufen
ein Feuerberg.
Langsam nähere ich mich dem Martinsfeuer. Es ist heiß, sehr heiß...
mein Licht ist aus,
ich geh nach Haus,
rabimmel rabammel rabumm.
Bruno, ein Anhänger des kopernikanischen Weltsystems, ging noch über die Theorie der Erdbewegung
hinaus. Seine These beinhaltete die Selbstbewegung jedes Körpers in einem unbegrenzten Weltraum
ohne absoluten Mittelpunkt, ohne sphärische Ordnung und ohne einen Beweger. Die Unendlichkeit des
Universums mit unendlicher beseelter Materie, die sich in steter Wechselwirkung des Verschiedenen
erhält, ein All, erfüllt von unzähligen belebten Welten, das war seine Weltanschauung.
Hier ein Bruno-Sonett (in einer Übertragung ins Deutsche), das ich seit meiner Jugendzeit
„im Herzen“ trage:
Ursach und Grund, o du, das Ewig-Eine,
Dem Leben, Sein, Bewegung rings entfließt,
Das sich in Höh' und Breit' und Tief' ergießt,
Dass Himmel, Erd' und Unterwelt erscheine!
Mit Sinn, Vernunft und Geist erschau ich deine
Unendlichkeit, die keine Zahl ermisst
Wo Mittelpunkt und Umfang allwärts ist.
In deinem Wesen weset auch das meine.
Ob blinder Wahn sich mit der Not der Zeit,
Gemeine Wut mit Herzenshärtigkeit,
Ruchloser Sinn mit schmutz'gem Neid vereinet:
Sie schaffens nicht, dass sich die Luft verdunkelt,
Weil doch trotz ihrer unverschleiert funkelt
Mein Aug', und meine schöne Sonne scheinet.
Die Scheiterhaufenszene ist angelehnt an eine entsprechende Stelle aus dem Roman
"Verbrannt von Gottes Feuer" von Franz Spunda
Das Sonett stammt auch aus diesem Roman.
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