Theater Impressum Startseite Schule Biografie Die Nachtigall Märchen nach Hans Christian Andersen Einleitungsmusik Erzähler In China, das weißt du ja wohl, ist der Kaiser ein Chinese, und alle die er um sich hat, sind Chinesen. Der Palast des Kaisers war der prächtigste der ganzen Welt und er bestand aus reinem Porzellan. Im Garten sah man die wunderbarsten Blumen und an jede war ein Glöckchen gebunden, das im Winde erklang. Hinter dem Garten lag ein großer Wald und darin wohnte eine Nachtigall, die alle mit ihrem Gesang zu Tränen rührte. Alle Leute im Reich rühmten ihren Gesang und selbst die Dichter besangen sie in ihren Werken. Der Kaiser, der in seinem Leben noch nie in den Wald gegangen war, kannte die Nachtigall nicht. Aber eines Tages las er ein Gedicht über diesen herrlichen Vogel und über seinen wunderbaren Gesang. Sängerin Lied 1. Bild Kaiser       Hole mir sofort meine Minister her! zum 1. Diener 1. Diener       Die Minister zum Kaiser! Drei Minister       Majestät, wir sind da! Kaiser Ich habe vernommen, dass im Wald hinter unserem Schlosspark ein gar wunderlicher Vogel wohnt, der alle Leute mit seinem Gesang erfreut. Ich erteile den Befehl, diesen Vogel zu finden und ihn mir heute Abend hier im Palast vorzuführen. Ich will selbst prüfen, wie schön er singen kann. Wenn ihr ihn nicht bringt, werde ich euch alle verprügeln lassen. Drei Minister Zu Befehl, Majestät. (Die Minister gehen ab) Kaiser Wie kommt es eigentlich, dass ich von dem Vogel nichts weiß, aber die größten Dichter des Landes besingen ihn? (Er geht nachdenklich hin und her, dann verlässt er den Raum) 1. Minister zum 1. Diener Hast du die Nachtigall gesehen? 1. Diener Nein Exzellenz! 2. Minister zum 2. Diener Hast du die Nachtigall gesehen? 3. Diener Nein Exzellenz! (Die Minister beraten sich) 1. Minister Wir müssen was unternehmen! 2. Minister Bis heute Abend! 3. Minister Sonst lässt uns der Kaiser verprügeln! (Die Köchin erscheint) 1. Minister Da, die Köchin! 1. Minister zur Köchin       Hast du die Nachtigall gesehen? Köchin Die Nachtigall? Nein Exzellenz. Aber fragen Eure Exzellenz mal Hua, unser Küchenmädchen. 1. Minister Man bringe sie sofort zu mir! (Köchin geht nach hinten ab. Man hört sie im Hintergrund rufen) Köchin Hua, kommst du mal. Hoher Besuch ist gekommen. Der Minister des Kaiser will dich sprechen. (Köchin erscheint mit Hua) Köchin Euer Exzellenz, das ist Hua, unser Küchenmädchen. Mache eine Verbeugung vor dem hohen Herrn. 1. Minister Du also weißt von dem seltsamen Vogel, den man Nachtigall nennt? Hua Die Nachtigall, ja die kenne ich. Jeden Abend wenn ich meine kranke Mutter besuche, komme ich am Wald vorbei. Dann höre ich sie singen. Dann kommen mir immer die Tränen. 1. Minister Kleine Köchin, ich werde dir eine feste Anstellung in der Küche verschaffen, wenn du uns zur Nachtigall führen kannst. 2. Bild Erzähler Die drei Minister, die Köchin und Hua gehen in den Wald. Marsch Erzähler Unterwegs treffen sie eine Kuh. Kuh Muuuuuh! 1. Minister Oh, wunderbar! Ist das die Nachtigall? Welch schöne, kräftige                                 Stimme! Hua Nein, Exzellenz, das ist eine Kuh. Wir müssen noch ein wenig weitergehen. Marsch Erzähler Da quakte ein Frosch im Sumpf! Frosch Quaaaaaaaak! 2. Minister Herrlich, wunderbar singt die Nachtigall. Wie Tempelglocken! Hua Nein, Exzellenz, das ist ein Frosch. Wir sind gleich da. (Der Gesang der Nachtigall erschallt. Das ganze Gefolge bleibt stehen und lauscht.) 1. Minister Ist das die Nachtigall? So ein unscheinbarer Vogel und solch ein                                 ungewöhnlicher Gesang. Hua Kleine Nachtigall! Unser gnädigster Kaiser will, dass du heute                                 Abend vor ihm singst. Nachtigall Mit dem größten Vergnügen! (Die Nachtigall singt eine neue Strophe) 1. Minister Es klingt wie Glasglocken! Und die kleine Kehle, wie sie arbeitet! Es ist merkwürdig, dass wir sie früher nie gesehen haben. Sie wird großes Aufsehen bei Hofe machen. Meine vortreffliche Nachtigall. Ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute Abend einzuladen, wo Sie Kaiserliche Gnaden mit Ihrem prächtigen Gesang bezaubern werden. (Alle ab) Marsch 3. Bild Erzähler Die Nachtigall kam gerne mit. Am Abend gab der Kaiser ein großes Fest mit Tanz und Musik. Der ganze Hofstaat war erschienen. Hua durfte hinter der Tür stehen und lauschen. Ballett Erzähler Die Nachtigall setzte sie sich auf ein feines Seidenkissen und begann zu singen. (Die Nachtigal singt. Dem Kaiser laufen die Tränen die Wangen herunter. Er zieht ein großes Tuch aus seiner Tasche und schnäuzt sich.) Kaiser Wunderbar! Exquisit, superb! Ich verleihe Ihnen hiermit den goldenen Pantoffel erster Klasse. Minister, walten Sie Ihres Amtes. (Der 1. Minister will der Nachtigall den Pantoffelorden umhängen) Nachtigall Majestät sind zu gütig. Aber einer Belohnung bedarf ich nicht. Ich habe Tränen in Majestät Augen gesehen. Dies ist die schönste Belohnung. (Erneut singt die Nachtigall) (Die Hofdamen versuchen mit ihren Stimmen die Nachtigall nachzuahmen) 1. Hofdame Exquisit! (Sie gurgelt) 2. Hofdame Superbe! (Sie trällert) 3. Hofdame Merveilleux! (Sie gluckt) Kaiser Ich wünsche Sie jederzeit bei Hofe zu sehen und Ihren Gesang zu hören. Erzähler Die Nachtigall bekam nun ein seidenes Band um das Bein gebunden, damit sie nicht wegfliegen könne,  und Diener, die sie bei Ausflügen begleiteten. Das war für sie durchaus kein Vergnügen. Sängerin Sehnsuchtslied 4. Bild Erzähler          Eines Tages erhielt der Kaiser ein Geschenk des Kaisers von                        Japan. Es war eine kleine Kiste. Darin war eine künstliche                        Nachtigall. Sobald man sie aufzog, sang sie ein Lied, und das                        immer und immer wieder. (Der Kaiser hält die künstliche Nachtigall*  in der Hand. Sie singt ihr Lied (Klingelton) Kaiser Schaut, die herrliche Nachtigall. Wie schön sie ist. Der bunte Schwanz und die Diamantaugen und ein Gefieder aus Gold. Und singen kann sie auch. (Er ahmt den Klingelton nach) (Alle schauen nacheinander auf den Kunstvogel.) 1. Minister Exquisit! (Er ahmt den Klingelton nach) 2. Minister Superbe! (Er ahmt den Klingelton nach) 3. Minister Merveilleux! (Er ahmt den Klingelton nach) (Die Hofdamen ahmen alle den Klingelton nach.) 1.  Hofdame Ist sie nicht entzückend, die neue Nachtigall? 2. Hoffdame Entzückend. 3. Hofdame Entzückend, in der Tat. (Die Hofdamen ahmen alle wieder den Klingelton nach.) 1. Minister Ausgezeichnet. Der Gesang der neuen Nachtigall ist gut zu merken. Er ist klar und deutlich und taktfest. Man kann ihn genau berechnen. Auch ist diese Nachtigall viel hübscher als die alte. Majestät, ich schlage vor, die alte Nachtigall aus unserem Reich zu verbannen. Kaiser So sei es. Ich verbanne den Vogel aus meinem Reich. (Alle ab) (Klingelton) Erzähler So wurde die natürliche Nachtigall aus des Kaisers Reich gewiesen. 5. Bild Erzähler          Der Kunstvogel hatte seinen Platz auf einem seidenen Kissen dicht                        bei des Kaisers Bett. Man hatte ihm den Titel                        „Hoch kaiserlicher Nachttischsänger“ verliehen.                        Gelehrte kamen und schrieben Doktorarbeiten über die                        Kunstnachtigall. Überall im Reich wurde sie berühmt. Improviesierte, pentatonische Musik währenddessen Pantomime Der Kaiser empfängt huldvoll den 1.  Gelehrten. Der Kunstvogel singt (Klingelzeichen). Der 1. Gelehrte schreibt einiges in ein großes Buch. Der 2. Gelehrte kommt und wird vom Kaiser empfangen. Der Vogel singt und auch er schreibt in ein großes Buch. Der 3. Gelehrte kommt. Auch er wird vom Kaiser empfangen. Der Vogel singt. Der dritte Gelehrte öffnet einen Laptop und tippt auf der Tastatur. Der Kaiser verabschiedet die drei Gelehrten. Erzähler          So ging es Jahr um Jahr. Der Kaiser, der Hof und alle übrigen                        Chinesen konnten jeden kleinen Gluckser des Kunstvogels                        auswendig. Das gefiel ihnen besonders, denn jetzt konnten sie                        mitsingen. (Volk erscheint auf der Vorbühne und alle singen durcheinander den Klingelton) 6. Bild Erzähler          Aber eines Abends, als der Kaiser zu Bette lag und die                        Kunstnachtigall wieder sang, macht es plötzlich krrrrchch.                       Der Gesang verstummte. Der Kaiser nahm die Nachtigall in die                      Hand und zog sie wieder auf. Aber sie gab nur krächzende                      Geräusche von sich. (Der Kaiser versucht die Nachtigall  aufzuziehen. Sie gibt nur noch gurgelnde und krächzende Laute von sich) Kaiser (ruft) Minister! Minister! Die Nachtigall ist krank! Die drei Minister kommen. 1. Minister Wie bedauerlich! 2. Minister Wie bedauerlich! 3. Minister Wie höchst bedauerlich! Kaiser führt die defekte Nachtigall vor 1. Minister Ohhh! 2. Minister Ohhh! 3. Minister Oje! Kaiser Man hole mir sofort den Leibarzt her 1. Diener Der Leibarzt zu Kaiser! Der Leibarzt erscheint mit einer Krankenschwester. Leibarzt Majestät, wie befohlen, Euer Leibarzt ist hier. Kaiser Schaut selbst! Kaiser führt wieder den defekten Vogel vor. Kaiser Was hat er? Der Leibarzt betrachtet den Vogel von allen Seiten. Leibarzt Hmmm! Hmmm! Hmmm! Kaiser So redet doch! Leibarzt Der Fall ist verwickelt. Ich schätze, der Vogel leidet unter einer Aberratio Mentalis Partialis zweite Spezies. Kaiser Wie bitte? Aberio Mentapapapalis was? Leibarzt Aberratio Mentalis Partialis zweite Spezies. Kaiser Soso! 1. Minister Soso! 2. Minister Soso! 3. Minister Sososo! Kaiser Könnt Ihr helfen? Leibarzt Wir müssen sofort operieren. Krankenschwester holt aus dem Hintergrund einen fahrbaren Tisch. Ein grünes Operationstuch wird darüber gebreitet. Sie hilft dem Leibarzt beim Anziehen eines Operationskittels, einer Haube und eines Mundschutzes. Der Leibarzt nimmt vorsichtig die Kunstnachtigall vom Kissen und legt sie auf den Tisch. Alle stehen um den Tisch und schauen zu. Die Krankenschwester assistiert. Leibarzt Abdecken! Skalpell! Klemme! Er wirft mit PC-Schrott um sich. Leibarzt Zunähen! Majestät! Ich habe den Vogel wiederhergestellt. Hört selbst. Die Kunstnachtigall singt (Klingelton). Die Schlussphrase klingt heiser. Majestät hören selbst. Er ist noch ein wenig heiser. Er braucht Schonung, Schonung, Schonung. Kaiser So ordne ich hiermit an: Die Nachtigall singt nur einmal im Jahr, und das zu meinem Geburtstagsfeste! (Alle ab) Chinesische Melodie Erzähler          Nun waren fünf Jahre vergangen und eine tiefe Trauer legte sich                        über das ganze Land, denn der Kaiser war schwer krank und lag im                        Sterben. Internmezzo Im Vordergrund begegnen sich Leute. Frau Li Haben Sie gehört? Der Kaiser ist schwer krank. Frau Wang Ihm stehen die Knochen zum Gesichte heraus. Frau Zhang O, unser armen Kaiser. Er liegt im Sterben. Alle drei O, unser armer Kaiser Alle ziehen ein Schnupftuch heraus und weinen. Herr Deng Haben Sie schon gehört, Herr Tang. Es ist schon ein neuer Kaiser gewählt worden. Unser alter hatte ja keine Kinder. Herr Tang Was Sie nicht sagen, Herr Deng. Ist unser alter Kaiser denn schon gestorben? Herr Deng So gut wie, so gut wie! Herr Tang Herrje, herrje. Beide ziehen ein Schnupftuch heraus und weinen. (Ab) 7. Bild Leise Gongschläge, große Trommel, Herzschläge Im Palaste Der Kaiser liegt im Bett (Ohrensessel), neben ihm der Kunstvogel. Der Tod tritt an sein Bett. Der Tod Bist du bereit mit mir zu gehen? Kaiser Geh vorüber, wilder Knochenmann! Hübsche Mädchen erscheinen und hässliche Monster! Wer sind die? Wer sind die? Der Tod Das sind deine Taten. Deine guten und deine bösen. Erinnerst du dich nicht? Kaiser Ich will nichts hören, ich will nichts hören! Musik, Musik. Man bringe die große Trommel und den Gong! Musikinstrumente werden gebracht. Man musiziert. Man tanzt, der Tod voran. Totentanz Die Musik wird immer wilder. Da erschallt der Gesang der natürlichen Nachtigall. Alles verstummt. Man hört nur den Gesang der Nachtigall. Langsam tritt der Tod mit seinem Gefolge ab. 8. Bild Der Kaiser richtet sich ganz langsam auf. Kaiser Nachtigall, du singst so schön, so schön! Ich spüre, wie meine Lebensgeister wiederkommen. Nachtigall       Ich hörte von des Kaisers Leid. Drum kam ich her zu dir. (Die Nachtigall singt wieder.) Kaiser       Ich jagte dich fort aus meinem Reich. Das tut mir wirklich leid. Du hast mir die bösen Geister verscheucht und den Tod von meinem Herzen genommen. Und das alles mit deinem herrlichen Gesang. Hab Dank, hab Dank! So sag, wie kann ich dir das lohnen? Nachtigall Die Tränen, die ich in deinen Augen  sehe, sind mir Dank genug. Das sind die Juwelen, die ein Sängerherz erfreuen. Ich werde dich täglich besuchen und an deinem Fenster singen. (Das Lied der Nachtigall ertönt wieder.) Vor der Bühne hat sich ein Trauerzug gebildet. Er bewegt sich langsam auf die Bühne zu. Da springt ihnen der Kaiser entgegen. Kaiser Guten Morgen, ihr schönen Damen, ihr Herrn, mit großen Namen. Durch den Gesang der Nachtigall, die mich erfreut mit ihrem Schall, und durch ihre schönen Lieder kamen meine Kräfte wieder. Drum feiert all, und singet und tanzet, hüpfet, springet! Alle werfen ihre Trauerkleider ab, jubeln und tanzen. Lied (Chor) Im Palast und überall ertöne nun der Jubelschall. Ende * Bei unserer Aufführung haben wir an Stelle eines Vogels ein goldenes Sparschwein mit Nokia-Klingelton verwendet.