Impressum Startseite Schule Biografie Impressum Startseite Schule Biografie Regietheater oder Freikugeln aus der Vagina Regietheater hin oder her,  ein Regisseur ist bei Oper und Schauspiel kaum entbehrlich. Gerade im deutschsprachigen Raum ist in der Oper der Begriff “Regietheater” immer noch aktuell. Ursprünglich war er negativ gemeint und bezeichnete Inszenierungen, die gegen die Intentionen des Autors (Librettisten, Komponisten) gerichtet sind, quasi eine Spielwiese des Regisseurs, auf der er sich austoben kann. Ist es erlaubt, die Handlung an einen anderen Ort und eine andere Zeit zu verlegen? Kann man eine Mozartoper in einem Schnellimbiss spielen lassen oder am Strand mit Bikini und Smartphon; oder Hänsel und Gretel in einem Supermarkt? Meiner Meinung nach ja. Aber nur dann, wenn die wesentliche Aussage des Stücks nicht zugekleistert sondern verstärkt und aktualisiert wird. Es gibt da großartige Beispiele. Aber leider auch gruselige Inszenierungen, wo man nur mit dem Kopf schütteln kann. Warum muss bei einer Zauberflöteninszenierung am Schluss sich Sarastro mit der Königin zusammentun und alle übrigen mit einer Kalaschnikow massakrieren, Taminao, Pamina, Papageno und Papagena? Warum muss in La Traviata ein völlig überflüssiges Männerballett und nackte Jünglinge mit Knackärschen auftreten, die auch gelegentlich unverblümt ihren "Johannes" an der Rampe baumeln lassen? "Jahrmarktsstimmung kommt auf, wenn eine Dame mit einem Vorschlaghammer à la „Schlag den Lukas“ dem Gottessohn auf den erigierten Penis schlägt, was jedes Mal das Aufleuchten eines dreifachen Heiligenscheins zur Folge hat. Schon von Beginn an wird fleißig onaniert, gemeuchelt ( Salome den Narraboth) und erbrochen, Herodias schlägt mit Hilfe aller fünf Juden Jochanaan den Kopf ab, dafür darf Salome trotz „Man töte dieses Weib“ am Leben bleiben." Salome, Berlin, Komische Oper. Im Februar sah ich in Berlin eine Inszenierung von “Tristan und Isolde” in der Deutschen Oper. Inszenierung: Graham Vick. Die Handlung spielt in allen drei Akten in einem modernen ungemütlichen Wohnzimmer. Ein Sarg ist ständiges Requisit.  Dauernd laufen Personen durch die Szene, unter anderem eine nackte Frau und ein nackter Mann, der mit einem Spaten ein Grab aushebt. Erinnerungsfiguren aus der Vorgeschichte? Auch blickt man auf Nebenräume wie Bad, Waschraum mit Waschmaschine oder Schlafzimmer. Im Hintergrund eine Art Terrasse oder Wintergarten. In all diesen Räumen halten sich oft Menschen auf, die sich dort mit langsamen Bewegungen betätigten. Brangäne bereitet keinen Liebestrank vor, sondern eine Drogenspritze. Zweiter Akt: gestörte Liebesnacht auf dem Kanapee ohne große Nähe der beiden Protagonisten. Dritter Akt: Tristan als tapernder Tattergreis wartet auf seine Isolde. Diese kommt nun, ergraut, trifft aber Tristan nicht mehr an. Er ist durch die hintere Terrassentür abgetreten. Isolde legt ihren schäbigen Mantel auf den Sarg, singt den Liebestod und tritt auch durch die Terrassentür ab. Alles sehr befremdlich, aber eindringlich. Eine andere Inszenierung, die wir tags darauf besuchten war “Der Freischütz” in der Komischen Oper. Regie: Calixto Bieito! ein Regisseur, der sich bestens mit Körpersäften und Exkementen auskennt. Mir schwante nichts Gutes. (Jugendbeschränkung auf 16 Jahre) Zu Beginn ein gespenstischer Wald in fahlem Licht. Eine echte Sau wird auf die Bühne geschickt und später wird symbolisch für die Sau eine Frau von einer Jagdgesellschaft erlegt, weidmännisch aufgebrochen, ausgeweidet und das Fell abgezogen (Pelzmantel) und die Beute abgeschleppt (blutverschmierte nackte Frau). Ok. Das mag noch hingehen. Jäger sind vielleicht Macho-Typen und alle(?) Männer sind Jäger, die nur das eine wollen. Natürlich kein betulicher Erbförster Kuno, keine Jungfernkranzidylle, sondern ein Junggesellinnenabschied in Miss Piggy-Masken. Die Damen ziehen sich ihre Slips aus und zerschneiden sie und werfen sie Agathe vor die Füße. Widerlicher Höhepunkt: In der Wolfsschluchtszene kommt der Bösewicht Kaspar hier mit einem gefesselten Brautpaar auf die Bühne und schneidet der Braut vor den Augen des Bräutigams den Bauch auf. Dann puhlt er nacheinander aus der bräutlichen Vagina die Patronen heraus, die er vorher dort eingeführt hatte und zwingt zum Schluss den bibbernden nackten Max, dem Bräutigam die Kehle durchzuschneiden. Jetzt wartete ich nur noch auf die Massenvergewaltigung beim Jägerchor. Die blieb zwar aus, aber der Schluss war auch nicht ohne. Max bekommt kein Probejahr, um Agathe zu erlangen, sondern er, der Eremit und Agathe werden von einem zynischen Jägermob erschossen. Vorhang. Keine Romantik, nur Abgrund. Was soll man da noch zu sagen? Heute kann man nicht mehr den Freischütz mit herunterfallenden Erbförsterbildern und Jungfernkranz darstellen. In einigen Teilen habe ich der Inszenierung auch positive Aspekte abringen können. Wenn allerdings eine Inszenierung zum Selbstzweck wird, wenn ihr die Musik scheißegal ist, wenn sie völlig gegen die Intentionen des Tonsetzers und Librettisten gerichtet ist, wenn sie nur zur inszenierten Selbstbefriedigung wird, dann sage ich Stopp! Sommer 2012: Tristan und Isolde in Bayreuth. Regie Christoph Marthaler. Ich schätze Marthaler als Schauspielregisseur sehr (Die Stunde Null oder die Kunst des Servierens) In Bayreuth zeigt er die Tristangeschichte als Entfremdung von Menschen, als Isolierung, die keine Nähe zulässt. Vom schäbigen Salon im ersten Akt geht es abwärts in einen tristen Keller mit Klinikbett. Tristan verendet am Boden und Isolde singt ihren “Liebestod” im Krankenbett und zieht sich beim “Versinken, Ertrinken” die Bettdecke über den Kopf. Die Inszenierung ist für mich wenig überzeugend, auch wenn sie konsequent ihre Haltung durchhielt. Eine masturbierende Isolde am Schluss wäre der  Orgasmusmusik Wagners angemessener gewesen. Jetzt haben sie den “Tannhäuser” in Düsseldorf abgesetzt. Ich habe die Inszenierung nicht gesehen. Gaskammern und realistisch dargestellte Erschießung ist nun etwas, was man auf gar keinen Fall mit Tannhäuser in Verbindung bringen kann. Gerade mit solch einem Thema sollte man sehr vorsichtig umgehen. Ob es allerdings eine bessere Idee vom Regisseur Oliver Py  ist, wie in Genf geschehen, einen schon vorher in der Presse angekündigten Erektionskünstler auf die Bühne zu schicken, der dann in der Venusbergszene als Zeus verkleidet mit “garantiert erigiertem Penis” der Europa nachstellt, ist doch sehr fraglich. Claus Peymann, den man oft als Regiezertrümmerer beschimpft hat, stellt resigniert fest: “Es gibt junge Regisseure, die lesen die Stücke gar nicht mehr. Für die ist von Anfang an klar, Franz Moor kann nur ein Mädchen und Karl Moor nur ein Schwuler sein. Und fertig ist damit die Inszenierung von Schillers "Räuber". In ihrer Selbstherrlichkeit glauben sie, mit dieser Originalität zu überzeugen. Das sind vollständige Abirrungen, die mir einfach den Appetit aufs Theater verderben – und obendrein auch dem Publikum.” Warum ich Klassische Musik liebe